Veit Dengler: Der Gründer tritt auf die Bühne

© Caio Kauffmann/DIE PRESSE

Vor zwölf Jahren war Veit Dengler treibende Kraft bei der Neos-Gründung, heuer dürfte der Enkel eines bekannten Politikers erstmals ins Parlament einziehen. Warum gerade jetzt? Und was will er eigentlich?

01.08.2024 um 09:21 von Klaus Knittelfelder

Vor zwölf Jahren war Veit Dengler treibende Kraft bei der Neos-Gründung, heuer dürfte der Enkel eines bekannten Politikers erstmals ins Parlament einziehen. Warum gerade jetzt? Und was will er eigentlich?

Wien. Es war der 11.Oktober vor 13Jahren, da griff Veit Dengler zum Telefon und wählte die Nummer seines Freundes Matthias Strolz. Vor sich hatte Dengler ein Doppelinterview im „Standard“, das der damalige Politikberater Strolz gemeinsam mit dem damaligen SPÖStaatssekretär Josef Ostermayer gegeben hatte – und der rote Strippenzieher äußerte darin Zweifel, ob die Politik der richtige Ort für Strolz sei. „So“, sagte Dengler am Telefon zu Strolz, „jetzt machen wir’s aber.“

Noch am selben Tag setzten sich die beiden in einem Café im 23.Wiener Bezirk zusammen, um sich zu überlegen, wie man eigentlich eine neue Partei gründet. Vorarbeiten dafür hatte es schon gegeben: Strolz, Dengler und andere Bürgerliche – mit dabei damals übrigens auch der spätere Kammerboss Harald Mahrer und Baldkommissar Magnus Brunner – trafen sich bereits Jahre zuvor als eine Art politische Reformgruppe. Die Gründungsidee wurde rasch konkret, und Dengler stand mit Strolz an der Spitze. Er war – gemeinsam mit Strolz1 aus 183 Neos-Mitgründer Veit Dengler steht vor seinem erstmaligen Einzug in den Nationalrat - und sagt, dass ihn auch ein Ministeramt reizen würde Nachfolgerin Beate Meinl-Reisinger – Vizeparteichef, er war der erste Geschäftsführer, sammelte die ersten Spenden und stellte die ersten Mitarbeiter an. Bei der Nationalratswahl 2013 war Dengler für einen der vordersten Listenplätze vorgesehen – ließ sich letztlich aber im Wahlkampf von der Liste streichen.

Einzug ist de facto fix

Der Grund dafür war ein Jobangebot aus der Schweiz, Dengler sollte die NZZ-Mediengruppe als Geschäftsführer leiten. Und tat das auch: „Ich bin im Wahlkampf etwas zerknirscht zu Matthias Strolz gegangen und habe gesagt: ,Ich muss das jetzt machen.‘“ Anstatt seinen eigentlich fixen Platz im Nationalrat einzunehmen, gab er seine Funktion an der Parteispitze auf und übersiedelte als Verlagsmanager in die Schweiz. Die Hochs und Tiefs seiner Partei erlebte Dengler vor allem aus der Ferne. Politisch in Erscheinung trat er seither kaum, und wenn, dann nicht im Zusammenhang mit den Neos, sondern beispielsweise vor zwei Jahren als Organisator einer prominent besetzten Initiative gegen die Neutralität Österreichs.

Bis jetzt. Denn heuer, mit elfjähriger Verspätung quasi, wird Dengler nun mit einiger Sicherheit in den Nationalrat einziehen. Dengler steht auf der steirischen Landesliste auf Platz eins, bisher war das für die Pinken ein Fixmandat, ein Ergebnis von vier Prozent würde dafür bereits genügen. Einzig bei einem starken Abschneiden in Graz könnte es noch wackeln – aber auch diese Liste führt Dengler an, er ist also de facto abgesichert.

Nur: Warum gerade jetzt? „Meine Überlegung war: Mache ich es jetzt? Oder warte ich noch einmal fünf Jahre? Ich habe mich entschieden, es zu machen.“ Und das mehr oder weniger in Alleinregie: „Das Gute an unserem offenen Neos-Vorwahlsystem ist, dass man nicht den Sanktus von irgendjemandem braucht, sondern sich einfach bewirbt.“ Mit der Politik abgeschlossen hat er ohnehin. Heuer passe ihm der Antritt in die Lebensplanung, so Dengler, der mittlerweile ein Haus in der Steiermark hat. Bei der letzten Wahl 2019 saß er noch in der Konzerngeschäftsleitung der Bauer Media Group mit mehr als 15.000 Mitarbeitern.

Einer speziellen Neos-Clique gehört Dengler nicht an, als enger Vertrauter von Meinl-Reisinger gilt er nicht gerade, die meisten Anhänger hat er im besonders wirtschaftsliberalen Flügel der Pinken, heißt es in der Partei. Wenn man sich bei den Neos nach Dengler erkundigt, wird ihm „eine starke inhaltliche Breite“ attestiert, er sei ein „angesehener Manager“ – und verfüge über viel Selbstvertrauen. In der Vergangenheit kritisierte Dengler immer wieder auch seine eigene Partei – in der „Presse“ sagte er beispielsweise einmal, dass die Pinken außerhalb der urbanen Zentren zu wenig Basisarbeit geleistet hätten und „die Neos-Handschrift im Wunsch mitzuregieren manchmal zu blass ist“. Vor allem in den Regionen müsse man beim Strukturaufbau „besser werden“, sagt er heute, das merke er auch auf Wahlkampftouren.

Größere politische Erfahrung bringt Dengler nicht mit, sein Arbeitsleben verbrachte er grosso modo im Topmanagement. Der Lebenslauf Denglers kann sich sehen lassen: Er studierte – mit Stipendium – unter anderem an der US-Eliteschmiede Harvard, er forschte an der Uni Oxford, vor seinen Engagements bei „NZZ“ und Bauer war er Osteuropa-Chef bei Dell, leitete die europäische Marketingstrategie bei T-Mobile und war Unternehmensberater bei McKinsey. Die meiste Zeit verbrachte er im Mediengeschäft – schon mit 19 begann er bei der OsteuropaAusgabe des „Time Magazine“.

Die Volksschule besuchte Dengler in der Steiermark. Denglers Mutter war eine bekannte Musikerin, sein Vater war Botschafter in Budapest und Helsinki, Dengler besuchte also in der Unterstufe eine amerikanische Schule im damals kommunistischen Ungarn und maturierte in Finnland. Der erste Nationalratsabgeordnete seiner Familie wäre er übrigens nicht. Denglers Großvater ist eine recht bekannte Figur des 20.Jahrhunderts: Josef Dengler war christsozialer Gewerkschafter, vor dem Zweiten Weltkrieg saß er im Bundesrat und danach 14 Jahre im Nationalrat. Und: Dengler, später Häftling der Gestapo, war einer der wenigen Christsozialen, die sich gegen den sogenannten Korneuburger Eid stellten, bei dem es um eine Abkehr von der parlamentarischen Demokratie und den Weg hin zur Kanzlerdiktatur ging.

„Ich bin für Nato-Beitritt“

Inhaltlich geht es Dengler vor allem um eine Senkung der Abgabenquote und eine Konsolidierung der Staatsfinanzen, sagt er. Erfolgen sollte diese auch über eine Pensionsreform. „Österreich verliert wirtschaftlich an Boden“, sagt er, das müsse man ändern. Als weiteres zentrales Thema nennt Dengler die Sicherheitspolitik: Österreichs Neutralität hält er für „Selbstbetrug“. Und: „Die Neutralität schützt uns nicht, ich persönlich bin für einen Nato-Beitritt.“ Und wenn man letztlich just mit SPÖ und ÖVP regiert, zu denen man bei der Gründung einst ein Gegenangebot sein wollte? Mit dem Gedanken daran sei Dengler per se „nicht happy“, sagt er, aber man brauchte jedenfalls „ein paar große Leuchtturmreformen“, die zeigen, wofür man regiert. Am Schicksal der FDP sehe man gerade, dass es andernfalls „potenziell gefährlich wäre“.

3 Fragen an Veit Dengler

Wie fänden Sie eine Regierung mit ÖVP und SPÖ nach der Nationalratswahl?

Eine Liebesheirat wäre das nicht. Aber man muss mit der Situation umgehen, die man hat. Es gibt einen Teil des politischen Spektrums, der ein autoritäres Staatssystem will. Dagegen muss man arbeiten – und letztlich abwägen.

Was müsste man in einer Koalition umsetzen?

Es beginnt beim Steuersystem, die Belastung muss runter. Die Staatsfinanzen müssen ausgabenseitig saniert werden, und man muss das Pensionssystem neu aufstellen. Es ist absurd, wie viel Geld wir da ungedeckt hineinbuttern.

Wollen Sie Minister werden?

Doch, gern, aber der Vorteil meiner Biografie ist: Ich muss nichts mehr werden. Ich will etwas bewegen.

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